Department Kunstwissenschaften
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RASMUS CROMME, DOMINIK FRANK: Aktenzeichen NS: Kunst und Politik im Nationalsozialismus am Beispiel der Bayerischen Staatsoper

I cannot come to Europe next Spring and Summer because of extra work I have to do here. My inability to go to Europe has nothing whatever to do with political conditions because I believe that Music stands far away from politics. With friendliest greetings. Sincerely L. S., Beverly Hills, California.
Diese Absage (gefunden im Personalakt No. 289, II.1 "Akt der Generalintendanz der bay. Staatstheater, Krauss, Clemens 1937-1938", Bestand Intendanz Bayerische Staatsoper im Bayerischen Hauptstaatsarchiv) musste der Generalmusikdirektor und Intendant der Bayerischen Staatsoper Clemens Krauss im November 1938 von dem Dirigenten Leopold Stokowski hinnehmen. Doch ist die hierin zum Ausdruck gebrachte Haltung – Kunst und Musik hätten mit Politik nichts zu tun – speziell für diese Zeit haltbar?
Spätestens seit Theodor Adorno hat sich eine andere Position durchgesetzt: Jede Kunst ist ein Abbild der Gesellschaft, in der sie produziert wird, und damit politisch. Die Bayerische Staatsoper hat ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, in welchem die Geschichte des Hauses in den Jahren 1933 (Machtergreifung der Nationalsozialisten) bis 1963 (Wiedereröffnung des im Krieg zerstörten und dann wiederaufgebauten Nationaltheaters) unter politischen, institutionsgeschichtlichen und ästhetischen Blickwinkeln untersucht wird.
In der an das Forschungsprojekt angeschlossenen Projektübung soll vor allem die Zeit des Nationalsozialismus im Fokus stehen: Wie korrelieren die Politisierung von Ästhetik und die Ästhetisierung von Politik – man denke z.B. an die propagandistischen Arbeiten von Leni Riefenstahl? Und bezogen auf die Bayerische Staatsoper: Welche Künstler wurden aus welchen Gründen ans Haus berufen? Gab es politische Verfolgungen, wurden nur politische Günstlinge mit Führungspositionen betraut? Welchen Einfluss hatten Propagandaminister Goebbels und der "Reichsdramaturg" Rainer Schlösser? Aber auch: Gab es auf der Opernbühne einen "nationalsozialistischen Stil", in welchem Opern inszeniert und aufgeführt wurden? Und welche Komponisten – gedacht sei hierbei etwa an Richard Strauss, Hans Pfitzner, Carl Orff und Werner Egk – profitierten von der Herrschaft der Nationalsozialisten am meisten?

Die Projektübung, angesiedelt an der Schnittstelle von Zeitgeschichte, Politik- und Theaterwissenschaft, vermittelt einen zeitgeschichtlichen Überblick über den Nationalsozialismus aus theaterhistoriographischer Perspektive. In diesem Rahmen sind mehrere Exkursionen, unter anderem zum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg oder thematische Rundgänge durch München und die Bayerische Staatsoper vorgesehen. Darüber hinaus soll von den Studierenden anhand von Archivrecherchen (etwa Bayerisches Staats- sowie Hauptstaatsarchiv, Münchner Stadtarchiv, Monacensia, Deutsches Theatermuseum) in Arbeitsgruppen anhand von Fallbeispielen ein eigenes kleines Forschungsvorhaben erarbeitet, durchgeführt und abschließend präsentiert werden. Konkret beinhaltet dies die Sichtung und Auswertung von Personal- und Werkakten, Schriftwechseln, Fotodokumentationen u.ä. sowie unter Umständen die Erstellung eines Pressespiegels.

Mit Mitteln des Praxisbüros wurde insbesondere die Fertigstellung von Texten ermöglicht für die Publikationen im Max Joseph Nr. 1 2015/16 (Oktober 2015): "Im Ränkespiel der Macht" - Ausgewählte Fundstücke und Archivmaterial geben Aufschluss darüber, wie das NS-Regime hinter den Kulissen des Nationaltheaters wirkte und im Max Joseph Nr. 2 2015/16 (Januar 2016):"Die Opernästhetik auf Linie gebracht?" - Ausgewählte Fundstücke und Archivmaterial geben Aufschluss darüber, wie das NS-Regime die Ästhetik der Aufführungen an der Bayerischen Staatsoper beeinflusste.