KOLLOQUIUM: Lebendige Wissenschaft. Kunstgeschichte und Lebenswirklichkeit um 1900
13.12.2013 – 14.12.2013
Zeit: Freitag, 13. und Samstag, 14. Dezember 2013
Ort: Institut für Kunstgeschichte LMU München
Zentnerstr. 31, EG 007
Empathie und Einfühlung werden gegen Ende des 19. Jahrhunderts massiv gegen eine rational-positivistisch orientierte Wissenschaft in Stellung gebracht und die als relativistisch empfundenen Konzepte des Historismus von der Idee der unmittelbaren Verbindung von Kunst und Leben abgelöst. Unmittelbarkeit und Authentizität des künstlerischen Ausdrucks scheinen nun weniger an intellektuelles Verstehen gebunden, als vielmehr an - real-körperliche - Erfahrung und Empfindung gekoppelt. In der bildenden Kunst sind Tendenzen zum Gesamtkunstwerk, zum Handwerk und Volkstümlichen, zum ortsfesten Kunstwerk, zum Formal-Sinnlichen die allgemein anerkannten Kennzeichen dieser Entwicklung. In der Kunstgeschichte schlägt sich dies in praktisch bildnerischen Übungen nieder wie auch in Ansätzen, bildende Kunst in unmittelbarer Wechselwirkung zu allgemein kulturellen oder natürlichen Phänomenen zu verstehen.
Heute erscheinen die damit verbundenen Vorstellungen von Ganzheit und Wahrheit nicht nur durch die nationalsozialistische Vereinnahmung, sondern auch durch deren ontologische und anti-intellektualistische Konstruktion, die insbesondere in der Postmoderne kritisch diskutiert wurde, äußerst problematisch. Der Anspruch, Kunst und Leben zu verbinden, blieb hingegen bis heute weitgehend undiskreditiert und wirkt als utopisches Projekt der Moderne bis in die gegenwärtige Kunstproduktion hinein.
Das Colloquium nimmt nun in den Blick, inwiefern die verschiedenen, um 1900 entwickelten Modelle und Theorien in allgemeinerer Weise konstitutiv für die Moderne werden konnten und wie sie den Kunst- und Werkbegriff der Avantgarden maßgeblich mitbestimmten. Zudem gilt es - ebenfalls im Sinne einer kritischen Revision der Moderne - zu prüfen, inwieweit Begriffe wie "Leben", "Wahrheit", "Form", "Erfahrung", "Ganzheitlichkeit" oder gar Ideologeme wie "Volk" und "Boden" um 1900 als Gegenmodelle zu entfremdeten Arbeits- und Lebensbedingungen - auch in der Wissenschaft - taugen konnten, und, ein methodisches Instrumentarium zu entwickeln, mit dem der durchaus problematischen Grundkonzeption der Moderne differenziert und kritisch begegnet werden kann, ohne in gewohnte Dichotomien zu verfallen.
Organisation und Konzeption:
Dr. des. Sebastian Fitzner und Dr. Daniela Stöppel
Anmeldung zum Kolloquium per E-Mail bis zum 13. Dezember möglich.
PROGRAMM
Freitag, 13.12.2013
15.00 - 15.30
Sebastian Fitzner/Daniela Stöppel: Einführung
15.30 - 16.15
Matthias Vogel: "Der Masse Leben verleihen". Hermann Obrist und befreundete Kunsttheoretiker zwischen Lebensreform und Reaktion
16.15 - 17.00
Flora Nieß: Henry van de Veldes Weg zum abstrakten Ornament. Ein 'neuer Stil' zur Belebung der Lebensrealität
17.00 - 17.45
Imbiss
17.45 - 18.30
Elena Filippi: "Der Künstler in mir, der mit dem Gelehrten in Konflikt gerät, andererseits der Practicus, der das Leben sucht!" Fritz Burgers Münchner Jahre (1906-1914) und die Frage der Authentizität in der Kunstwissenschaft
19.00 - 20.30
Abendvortrag Thomas Brandstetter: Lebendige Kristalle. Vitalismus und Mechanismus um 1900
Samstag, 14.12.2013
10.00 - 10.15
Sebastian Fitzner/Daniela Stöppel: Begrüßung
10.15 - 11.00
Daniela Bohde: "Die Form ist das Leben selbst" - die Krise des Formalismus und die Reanimationen der Form
11.00 - 11.45
Regine Prange: "Der Impressionismus in Leben und Kunst". Zu Richard Hamanns Kritik eines Epochenstils
11.45 - 13.30
Mittagspause
13.30 - 14.15
Robin Rehm: Die Empfindung und das Nichts. Das Schwarze Quadrat von Kazimir Malevi?
14.15 - 14.30
Kaffeepause
14.30 - 15.15
Magdalena Nieslony: Für und gegen die Bedingtheit der Kunst. Ein Diskurs der russischen Avantgarde
15.15 - 16.00
Abschlussdiskussion
Mit freundlicher Unterstützung durch den Freundeskreis des Instituts für Kunstgeschichte
Quellennachweis: http://arthist.net/archive/6410