Department Kunstwissenschaften
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WORKSHOP: Individualität in Bild und Text

Workshop an der Venice International University

17.09.2012 – 21.09.2012

Das Bedürfnis nach Individualiät und mit ihm die Darstellungsweisen von Individualität sind in hohem Maße kultur- und epochenspezifisch. Bilder des Individuellen können damit als symptomatische Selbstbeschreibungen von Gesellschaften gelesen werden. Der ‚klassische’ Fall eines individualisierten Bildes ist das Porträt. Üblicherweise verweist das Porträt durch visuelle Strategien, etwa physiognomische oder pathognomische Charakteristika, auf die tatsächliche physische Erscheinung eines konkreten Individuums. Für weite Phasen der Kunstgeschichte stellt sich allerdings die Frage, wie eine visuelle Referenz auf ein Individuum methodisch zu fassen ist, wenn dieses für den Rezipienten nicht mehr physisch erfahrbar ist.

Das Porträt stellt jedoch nur einen, wenn auch besonders prägnanten Fall von Individualität im Bild dar - und dies aus zwei Gründen. Zum einen können Bildnisse nicht nur durch Physiognomie oder Pathognomie individualisiert werden, sondern etwa auch durch eine zugehörige Inschrift, den Aufstellungskontext oder eine Erzählung. Je nach Definition würde man in diesen Fällen nicht unbedingt von Porträt, wohl aber von einem individualisierten Bildnis sprechen. Zum anderen sind Formen der Individualisierung auch für fiktive Wesen möglich - für Helden etwa ebenso wie für Monster. Individualiät kann hier durch die Nennung des Namens, durch spezifische Attribute, insbesondere aber durch narrative Strategien hergestellt werden.

Von diesen Überlegungen ausgehend lassen sich einige Fragestellungen formulieren, die in der Forschung bislang nicht systematisch thematisiert wurden. Sie mögen als Anregung für die geplante Tagung dienen:

  • Welche kulturellen Bedingungen führen zum Bedürfnis nach der Artikulierung von Individualität?
  • In welchen historischen und räumlichen Kontexten wählte man welche Formen der Individualisierung?
  • Welche kommunikativen Qualitäten besitzen einzelne Strategien zur Darstellung von Individualität?
  • Darf man mit einem zunehmenden Grad an Naturalismus von einem zunehmenden Maß an Realitätsbezug, mithin also von Porträthaftigkeit sprechen?
  • Inwieweit lassen sich Fälle benennen, die mit einer nur simulierten Referenz spielen?
  • Wie verhalten sich Individualität und Typus - spezifische und kollektive Elemente - zueinander?

Nach einer Einführung zum Phänomen und Begriff der Individualität in Archäologie und Kunstgeschichte wird am ersten Workshoptag durch gemeinsame Lektüre vorher ausgewählter Texte eine Lektürebasis geschaffen, auf Grundlage derer dann im Anschluss die Beiträge der einzelnen Teilnehmer gehört werden können. Geplant sind zwanzigminütige Impulsreferate, die jeweils einzelne Aspekte von visuellen oder textuellen Individualitätskonstruktionen beleuchten sollen. Auf Grundlage dieser Fallbeispiele werden anschließend in gemeinsamer Diskussion Thesen erarbeitet und der Versuch unternommen, das Phänomen der medial kommunizierten Individualität schärfer als bisher geschehen zu fassen.

  • Zeit: Montag, 17. bis Freitag, 21. September 2012

  • Ort:  Venice International University
             Isola di San Servolo
             30100 Venedig
         

Programm

Montag, 17. September

16.00 Einführung: Johannes Lipps, Andreas Grüner, Urte Krass

Dienstag, 18. September

9.15 Lektüre und Diskussion von Grundlagentexten zum Thema

13.00 Mittagessen

14.00 Exkursion: Urte Krass (Das Problem der Individualität im Heiligenbildnis am Beispiel des Heiligen Lorenzo Giustiniani)

Mittwoch, 19. September

Beginn 9.15 – open end (Vorträge ohne Zeitfenster – Diskussion nach Bedarf)

Annette Haug:
Zwischen Typisierung und Individualisierung: Statuenentwürfe an der Wende vom 6. zum 5. Jh. v.Chr.

Nikolaus Dietrich:
Individuierung unter Göttern und Heroen - und ihr Ausbleiben. Die attische Vasenmalerei als Parallelbefund zum frühen griechischen Portrait

Johannes Lipps:
Spezifizierung von Statuenbedeutungen durch den Aufstellungs- und Rezeptionskontext

Manuel Flecker:
Individuelle Ereignisse - Individuelle Darstellungen? Zur bildlichen Rekonstruktion realer munera gladiatoria

Stefan Faust:
Individualität vs. Ideologie? Möglichkeiten und Grenzen persönlicher Entfaltung im Kontext öffentlicher Denkmäler der Antike

Donnerstag, 20. September (Vorträge ohne Zeitfenster – Diskussion nach Bedarf)

Beginn 9.15 – open end (Vorträge ohne Zeitfenster – Diskussion nach Bedarf)

Markus Löx:
Individualität im spätantiken und frühbyzantinischem Heiligenbild

Andreas Grüner:
Naturburschen: Individualität und physiognomische Präzision in Porträts der Antike und Renaissance

Anja Rathmann-Lutz:
Reform vs. Individuum? Repräsentationsformen des Einzelnen im Kontext der religiösen Reformen des 11. u. 12. Jh.s

Henrike Haug:
Retrospektive Individualität. Vasaris Porträtkonstruktionen im Trecento

Freitag, 21. September

Beginn 9.15 Abschlußdiskussion: Annette Haug